Wien ist sowohl ein Bundesland wie auch eine Grossstadt. Wien hat mit einer Fläche von 415 Quadratkilometern eine Einwohnerzahl von rund 1,8 Millionen. Der Kanton Zug mit einer Fläche von 240 Quadratkilometern bringt es auf 130 000 Einwohner. Die Bevölkerungsdichte im Kanton Zug ist also rund acht Mal geringer als diejenige von Wien. Trotzdem schafft es Wien, für seine gering verdienenden Einwohner genügend günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Vor über hundert Jahren hat man erkannt, dass man solche Wohnungen der Spekulation entziehen muss. Dafür gibt es in städtischen und genossenschaftlichen Wohnanlagen heute 220 000 Wohnungen in guter Wohnqualität. Damit wohnt rund ein Viertel der Wiener Bevölkerung in solchen Wohnungen. Trotzdem kostet der Quadratmeter einer neuen Wohnung gerade mal 7.50 Euro Miete pro Monat. Dies bedeutet, eine 4-Zimmer-Wohnung mit 100 Quadratmetern kostet pro Monat 750 Euro, also rund 800 Franken. Wien hat früh erkannt, dass die Kellnerin im Heurigen, die Garderobenfrau in der Staatsoper, der Strassenbahnfahrer, die Putzfrau, der Frisör usw. nicht mehr Miete bezahlen können. Trotzdem sollen sie in der Stadt wohnen, denn man braucht sie ja dort. Und wo stehen wir im Vergleich mit Wien im Kanton Zug? Die Industriefirmen haben im letzten Jahrhundert genau gleich gedacht wie die Wiener. Man hat für die Arbeiter in der Nähe der Fabriken günstige Wohnungen zur Verfügung gestellt. Beispiele dafür sind die Landis & Gyr und die Wasserwerke in der Gartenstadt sowie die Verzinkerei Zug im Lauried-Gebiet, um nur einige zu nennen. Die damaligen, liberalen Unternehmer haben ihre Verantwortung wahrgenommen. Sie haben erkannt, dass man die Arbeiter braucht und ihnen auch etwas gönnen soll, wenn man von ihnen eine gute Leistung erwartet. Leider hat man in Zug im Gegensatz zu Wien diese Zusammenhänge vergessen. Profit heisst das Losungswort. Alles, was zum Beispiel nördlich und westlich des Postplatzes liegt, wird konsequent «umgestochen». Alte Bausubstanz ist unrentabel, wird nicht renoviert, obwohl dies sehr oft möglich wäre, und muss Neubauten weichen. Wenn nicht Luxusbauten vorgesehen sind, sagt man: «Wir bauen Wohnungen im mittleren Preissegment.» Wobei dieses mittlere Segment für untere Einkommen unerschwinglich ist (4-Zimmer-Wohnung für 3000 Franken und mehr). Gerade ältere Wohnungen sind aber naturgemäss viel günstiger, denn sie wurden ja auf der damaligen Kostenbasis erstellt, und es gelten bestehende Mietverträge. Alle Beteuerungen der Politiker, wir hätten 27 Prozent günstigen Wohnraum, sind nur Phrasen. Man schaue einmal in die Immobilienportale und gebe Preisgrenzen ein. Leute mit tieferen Einkommen werden kaum fündig und finden nichts für sie Bezahlbares. Sie müssen daher ihre «Heimat», den Kanton Zug, verlassen. Darum muss nun etwas geschehen. Genau wie in Wien brauchen wir in Zug günstigen Wohnraum für einen Viertel der Bevölkerung. Dies kann man leider nicht dem Markt überlassen. Die verantwortungsvolle liberale Haltung des letzten Jahrhunderts ging leider verloren. Wir benötigen Wohnungen, die nicht der Spekulation unterworfen sind. Es braucht daher klare Vorschriften und nicht ein dubioses Wohnbaufördergesetz. Darum stimme ich als Parteiloser der «Gesetzesinitiative für bezahlbaren Wohnraum» zu. Ich will, dass der Coiffeur, der Buschauffeur und die Kassiererin in der Migros und im Coop auch im Kanton Zug wohnen können.
Heinz Gross, Zug