Der Titel „Junge Linke kassieren eine Abfuhr“ in der Zuger Zeitung vom 30. Dezember 2017 erfordert eine Klärung. Die jungen Linken sind nämlich zu keinem Zeitpunkt verurteilt worden. Ob die strittigen Plakate rechtlich zulässig waren oder nicht, ist nie in einem anfechtbaren Entscheid beurteilt worden. Dass die jungen Linken trotzdem Gerichtskosten und Parteientschädigung bezahlen müssen, hinterlässt einen schalen Geschmack. Hier die Geschichte in Kurzfassung.
Zum Start der Kampagne zur Initiative für preisgünstigen Wohnungsraum Mitte April liess das Abstimmungskomitee am Bahnhof Zug zwei Plakate aufhängen. Die beiden Plakate zeigten je einen bürgerlichen Regierungsrat mit der Aussage „Zug hat genug bezahlbaren Wohnraum“ und dem Hinweis auf das Jahreseinkommen von 279’744 CHF. Für jede/n unvoreingenommene/n Betrachter/in war die Satire klar erkennbar.
Dass die beiden Regierungsräte keine Freude an diesen Plakaten hatten, ist nachvollziehbar. Dass sie sich als politisch exponierte Persönlichkeiten dagegen wehrten, ist eher erstaunlich und zeugt von erheblicher Dünnhäutigkeit, ist aber ihr gutes Recht. Was darauf folgte, lässt allerdings am Rechtsstaat zweifeln.
Als erstes beauftragten die beiden die Staatskanzlei, mit völlig unrealistischen Forderungen Einfluss auf das Komitee zu nehmen. Ob dies tatsächlich in den Zuständigkeitsbereich der Staatskanzlei fällt, ist zumindest fraglich.
Als nächsten Schritt beantragten die beiden Regierungsräte über ihren Anwalt beim Kantonsgericht den Erlass einer superprovisorischen Verfügung, mit der die Plakatkampagne und die Veröffentlichung im Internet ab sofort zu verbieten seien. Ein willfähriger Richter, der vor seinem Richteramt im gleichen Anwaltsbüro arbeitete wie der Anwalt der beiden Regierungsräte, kam diesem Antrag blitzschnell nach und verfügte genau das Gewünschte.
Nebensächlich aber nicht uninteressant ist dabei, dass die Liste der Beklagten ziemlich willkürlich zusammengestellt ist. Auch waren weder Anwalt noch Gericht in der Lage, Adressen richtig von den von ihnen verwendeten Dokumenten abzuschreiben.
Das Komitee kam dieser superprovisorischen Verfügung nach und entfernte die Plakate. Gleichzeitig wehrten sie sich mit einer Eingabe ans Gericht gegen diese Verfügung. Sie verwiesen dabei auf einen Präzedenzentscheid des Bundesgerichts, das in einem bedeutend krasseren Fall (Vasella gegen JUSO Schweiz) ein Plakat als Politsatire qualifiziert und als zulässig erklärt hatte.
Am 12. Juli, in der ersten Sommerferienwoche, entschied der Kantonsrichter, dass die superprovisorische Verfügung zu Recht erlassen worden sei, lehnte aber das Gesuch der beiden Regierungsräte ab, weil dieses materiell nach erfolgter Abstimmung nicht mehr relevant sei. Obwohl das Komitee damit eigentlich freigesprochen wurde, auferlegte der Richter dem Komitee die Gerichtskosten und die Bezahlung einer Parteientschädigung an die beiden Regierungsräte.
Diesen Entscheid focht das Komitee beim Obergericht an. Dass im Kanton Zug das Recht auf Politsatire anders als vom Bundesgericht vorgespurt ausgelegt wird, ist schwer verständlich und nicht akzeptierbar. Und die Auferlegung der Gerichtskosten und einer Parteientschädigung trotz Freispruch ist auch nicht gerade das, was man sich unter einem Rechtsstaat vorstellt.
Am 20. Dezember, sozusagen als Weihnachtsgeschenk, hat das Obergericht entschieden. Es ist auf die Berufung nicht eingetreten und legt aber bei Gerichtskosten und Parteientschädigung nochmals nach. Da das Komitee ja vom Kantonsrichter nicht verurteilt wurde, gebe es auch nichts zu klagen. Dies ist ja noch einigermassen nachvollziehbar. Schwierig zu verstehen ist, dass damit dem Komitee die Möglichkeit verschlossen bleibt, sich gegen die superprovisorische Verfügung zu wehren. Dazu hätten sie die Plakate eigentlich hängenlassen müssen.
Dass das Obergericht auch nicht bereit war, die Berufung bzgl. Kosten an die zuständige Instanz weiterzuleiten, ist schwer zu verstehen. Es entsteht schon der Eindruck, dass sich auch das Obergericht daran beteiligt hat, die jungen Linken trotz Unschuld zu bestrafen.
Fazit: Die linken Jungparteien und JungpolitikerInnen sind nie verurteilt worden. Mit drakonischen Strafandrohungen ist ihnen abgerungen worden, die Plakate abzuhängen. Rechtlich gegen diese Zensur wehren können sie sich offenbar nicht. Dafür sollen sie aber Gerichtskosten und Parteientschädigungen bezahlen. Meine Überzeugung vom Rechtsstaat ist damit doch eher ins Wanken gekommen. Unvoreingenommen ist da sicher nicht geurteilt worden.
Eusebius Spescha (Vater einer betroffenen Jungpolitikerin)